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Wie geht eigentlich richtig Entscheiden?

Wie gehen wir am besten vor und was hilft uns, wirklich gute Entscheidungen zu treffen? Besonders in komplexen Situationen sind gute Entscheidungen selten ein Ergebnis eines Entscheidungsmomentes, sondern eher das Resultat eines ganzen Entscheidungsprozesses. Die Kognitionsforschung beschäftigt sich intensiv mit der Frage, wie Menschen Entscheidungen treffen und welche Fallstricke bestehen.

 

Ratio versus Intuition

Entscheiden wir besser mit dem „Bauch“ oder mit dem „Kopf“? Ist es nicht klüger, die Entscheidung rein systematisch und analytisch anzugehen? Eine vielfach bestrittene und analysierte Fragestellung! Die Ratio bedient sich unseres Arbeitsgedächtnisses, in dem unsere bewusste und systematische Verarbeitung von Informationen stattfindet. Doch unser Arbeitsgedächtnis stößt vor allem bei sehr komplexen und offenen Aufgaben an seine Grenzen. Demgegenüber hat die Intuition – auf der unsere Bauchentscheidung oft basiert – ihre Wurzel im Langzeitgedächtnis. Wir können dabei auf eine Vielzahl von Informationen zurückgreifen, die sich in vielen Fällen nicht direkt zugreifbar in unserem Bewusstsein befinden.

Dies scheint also eine weitaus reiche Quelle an Informationen zu sein. Zu beachten ist hier jedoch die Frage, welche und wie viel relevante Informationen dort gesammelt werden konnten. Wie viel Erfahrungen habe ich tatsächlich auf diesem Gebiet gesammelt? Wie reich ist mein „Schatz“ an unbewussten Informationen? Und wir sollten prüfen, ob uns unser Gefühl nicht trügt und eventuell alte Glaubenssätze unsere Bauch-Entscheidungen beeinflussen. Im Idealfall arbeiten daher beide Systeme zusammen. Eine kluge Analyse der Alternativen und Konsequenzen sind ebenso wichtig, wie das „in sich rein horchen“.  Denn dieser letzte Schritt hilft uns, unserer Entscheidung vertrauen zu können und unsere Energien richtig zu mobilisieren.

 

Der Entscheidungsprozess

Doch wie gehe ich eine Entscheidung am besten systematisch UND intuitiv an? In dem ich Schritt für Schritt vorgehe und zunächst unvorteilhafte Alternativen per Ratio aussortiere und dann den letzten Schritt über mein Bauchgefühl gehe.

Die wichtigsten Schritte für eine gute Entscheidungsstrategie:

  1. Kriterien definieren! Welche Kriterien entscheiden, ob das Ergebnis meiner Entscheidung gut oder schlecht sein wird?

Meine persönlichen Kriterien kennen und diese priorisieren:

  • Was ist mir wichtig? (kurz- und langfristig)
  • Was sind meine tatsächlichen Ziele? Was möchte ich erreichen?
  • Welche Werte und Motive habe ich?
  • Wie wichtig ist mir das genannte Kriterium wirklich?

Gute Persönlichkeitsarbeit unterstützt diesen Punkt! Zu wissen, wer wir sind, was uns leichtfällt und was wir uns wünschen, ist eine gute Basis für die Definition dieser individuellen Kriterien.

 

  1. Informationen sammeln! Die Optionen finden und sich intensiv mit diesen auseinandersetzen. Alternativen erfassen und recherchieren (im Fall der Studienwahl könnten das zum Beispiel Informationen über Studiengänge, Modulhandbücher, Studienstadt, Hochschule und mögliche Berufsbilder sein).

Hierfür bediene ich mich am besten unterschiedlicher Informationsquellen: Webseiten oder Informationsveranstaltungen der Hochschulen, Gespräche mit Studenten, eigene Erfahrungen machen (z.B. über Praktika).

Und zum Schluss noch den Blick weiten: Welche Alternativen gibt es noch?

 

  1. Der „Reality Check“
    • Was ist tatsächlich Voraussetzung für die Alternative (z.B. NC, Eignungstest, Vorpraktika, Sprachtests etc.)
    • Was kann eine Konsequenz einer Entscheidung sein, die ich nicht tragen kann? (Umzug in eine andere Stadt, Studiengebühren etc.)
    • Welche Fallstricke haben die Alternativen, die ich eventuell noch nicht bedacht habe?
    • Entscheiden: Welche Alternative fällt raus?
  1. Die Alternativen nach den eigenen Kriterien bewerten und aussortieren
    • Bewerten: Wie sehr erfüllen die verbleibenden Alternativen meine persönlichen Kriterien?
    • Alternativen aussortieren, die weniger attraktiv sind, meine Kriterien unzureichend erfüllen bzw. nicht in Frage kommen. Hier ist es wichtig, klar und ehrlich mit sich zu sein.
    • Doch Vorsicht: Neige ich ggf. dazu Kriterien, die eine kurzfristige Befriedigung verschaffen (Umzug in die Stadt, in der mein Freund wohnt) gegenüber Kriterien, die mir langfristig wichtig sind überzubewerten?
  1. Abstand gewinnen: Den Prozess und das Ergebnis noch einmal mit Abstand und „von außen“ betrachten. Nachdem man alle Argumente rational durchdacht hat, sollte man sich etwas von der Entscheidung ablenken und eine Nacht darüber schlafen.
  1. Den „Bauch“ einschalten!
    • Zu welcher Alternative fühle ich mich hingezogen?
    • Gibt es Reaktanzen, also ablehnende Gefühle gegenüber einer Alternative?
    • Gibt es diesen EINEN wichtigen Grund, der für oder gegen eine Alternative spricht?

 

Weitere Tipps:

Der Kognitionsforschung können wir weitere interessante Fakten und Methoden für gute Entscheidungen entnehmen. Deshalb hier eine kleine hilfreiche Auswahl:

  • Denk- / Urteils- und Entscheidungsfehler kennen. Ein paar Beispiele:
    • Einrahmungseffekt: Wie offen kann ich die Entscheidung tatsächlich treffen? Gibt es Scheinalternativen? Werde ich manipuliert?
    • Selbstbestätigungseffekt: Falls wir innerlich bereits eine Entscheidung getroffen haben, neigen wir dazu, den Entscheidungsprozess zu früh abzuschließen. Denn – je nach Persönlichkeitstyp – bevorzugen wir geschlossene Situationen und eine getroffene Entscheidung gibt uns ein gutes Gefühl. So besteht die Gefahr einer übereilten Entscheidung.
    • Selbstüberschätzung: Sind wir wirklich gut genug informiert?
    • Primacy effect: Der erste Eindruck verhindert, dass nachfolgende wichtige Informationen in die Bewertung einfließen.
  • Den Blick weiten und vor allem auf Alternativen achten, die bisher noch nicht auf dem Schirm waren (besonders wichtig bei Patt-Situationen zwischen zwei Möglichkeiten: Sich deshalb fragen: Was wäre ein „weder noch“ oder „sowohl als auch“?).
  • Vorsicht vor der Perfektionismus-Falle: Irgendwann ist gut! Besonders bei sehr offenen und komplexen Entscheidungen müssen wir aufpassen, nicht in die Perfektionismus-Falle zu treten und dem ewigen „Da gibt es doch sicher noch etwas Besseres…“ hinterher zu laufen. Denn die Suche nach dem Maximum verhindert manchmal eine gute Entscheidung!
  • Vorsicht vor Prokrastination! Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung! Es empfiehlt sich, den Prozess diszipliniert zu verfolgen und schließlich auch mutig abschließen. Ansonsten entscheidet eventuell jemand oder einfach die Umstände für mich. Die Alternativen reduzieren sich und es bleibt nur noch eine Möglichkeit über, die wir unter anderen Umständen nicht gewählt hätten.
  • Die Regnose-Methode einsetzen: Stellen Sie sich vor, sie haben sich für Variante A entschieden. Es sind zwei Jahre vergangen und sie blicken zurück: Wie kamen Sie letztendlich zu dieser Entscheidung? Was war der ausschlaggebende Faktor? Was könnten eventuelle Fallstricke gewesen sein? Welche Ziele, an die Sie vielleicht auch noch nicht gedacht haben, haben sie erreicht? Und: Wie fühlen sie sich mit der Entscheidung?
  • Iterativ vorgehen: Ich gehe einen Schritt mit einer Entscheidung bis zu einem definierten Punkt. Dann bewerte und entscheide ich neu. Das empfiehlt sich besonders bei Entscheidungen in unklaren und sehr komplexen Situationen.

Quellen: u.a. Walter Braun: Die (Psycho-)Logik des Entscheidens: Fallstricke, Strategien und Techniken im Umgang mit schwierigen Situationen, Bern 2010

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